Zeichen der Zeit!
Zeichen der Zeit
Ich bin ein Landkind, und als solches hatte das Auto eine ganz besondere Bedeutung. Es war eine ganz einfache Gleichung. Führerschein = Freiheit. Und wer besonders viel Glück hatte, hatte seine eigene verrostete Freiheit irgendwo rund um das Haus geparkt. Ein Auto war aber weit mehr als nur Freiheit, es war quasi zugleich Sprachrohr. Es gab Auskunft darüber wer man war, oder sagen wir so, wer man sein wollte. Und so gab es die Fraktion die Rosenkränze um den Rückspiegel hängen hatte, oder die Fraktion bei der kleine Plüschtierchen sich jedesmal beim Bremsen eine Gehirnerschütterung an der Windschutzscheibe holten.
Später wurden Rosenkränze und Plüschtiere gegen Handykopfhörer und Wunderbäume ausgetauscht. Gelb stand für Vanille, grün sollte Tannenduft verbreiten und gestreift an eine Pina Colada erinnern. Und auch diese Rückspiegelschmuckstücke waren ein Statement. Handykopfhörer = ich bin wichtig und immer erreichbar, Tannenduft = der Natur verbunden und auf Jungscharlager, Pina Colada = Discogänger und Aufreissertyp und so weiter.
In den letzten Jahren wurden die Rückspiegelschmuckstücke weniger. Und auch die klassische umhäkelte Klopapierrolle und der hüftschwingende Elvis sind fast zur Gänze aus den Autos verschwunden. Doch in den letzten Wochen tut sich wieder etwas hinter unseren Windschutzscheiben. Gepunktet, gestreift, einfarbig - Mundschutzmasken. Und passend dazu eine Diskussion auf Ö3 ob man denn die Schutzmasken überhaupt über den Rückspiegel hängen darf. Also ganz ehrlich - irgendwie war mir der Tannenduft dann doch lieber...